Augen hast du mir gegeben,
um zu sehen
ein Herz, um zu fühlen
und tiefer zu blicken
„Ich möchte sehen…“
und in meinen Blick halten
die Welt in ihrer Vielfalt
in ihrer Schönheit und Verletzlichkeit
die Geschöpfe in ihrer Würde
in den Gebrochenheiten
und ihrer Sehnsucht nach Heilung und Leben
„Ich möchte sehen…“
und erkennen
dich in deinem Geheimnis,
das sich öffnet
in deiner Größe und Liebe,
die sich anvertraut
Fragend, wer du bist
und was dir im Innersten heilig ist
staunend, wer ich bin
und was du mir in die Hände legst
so sind wir miteinander
„Ich möchte sehen…“
und fühlen,
was du uns allen ins Herz schreibst
deine Weisung,
die zum Leben ruft
und Weite, Freiheit will
die den Menschen, die Schöpfung
im Blick behält
die uns auffordert und befähigt,
mutig und entschieden Farbe zu bekennen –
dein Gesetz
Bestärkung und Herausforderung
„Ich möchte sehen…“
und tun,
was ich von dir
und deiner Weisung verstehe:
Leben zu fördern
Vielfalt als Reichtum zu ermöglichen
Gaben miteinander zu teilen
Gerechtigkeit zu schaffen
Menschenrechte einzufordern
Erinnern wir uns, wie nahe du uns bist
wie du auf Tuchfühlung gehst – mit uns
und allen?
Ruf uns ins Gedächtnis,
schreib es uns tief in unser Herz hinein:
deine Liebe, dein Vertrauen
dein Wesen
Hingabe, die Frucht bringt
Werden wir sehen – und erkennen
Dich
im Antlitz des Menschen
in den vielen Geschichten,
die von Leid und Hoffnung erzählen
in den Spuren deiner Schöpfung und Welt?
Deine Geist-Kraft hast du uns gegeben
Inspiriert vom Hungertuch und Jer 31,33-34 u. Joh 12,20-26 hat Norbert Lammers OFM (Mitglied des ursprünglichen Franziskanerordens), Hofheim am Taunus, diesen meditativen Text zum Fünften Fastensonntag (B) verfasst.
Zum Hungertuch
Das Hungertuch hält die Botschaft von Gerechtigkeit und Mitgefühl in der Gemeinde lebendig.
Das Misereor-Hungertuch ist ein zentrales Element der Fastenaktion von Misereor, dem Hilfswerk der katholischen Kirche in Deutschland für Entwicklungszusammenarbeit. Seit 1976 gibt Misereor zur Fastenzeit alle zwei Jahre ein neues Hungertuch heraus, das von internationalen Künstlerinnen und Künstlern gestaltet wird. Das Hungertuch dient mehreren Zwecken:
- Bewusstseinsbildung und Reflexion: Es soll die Betrachtenden zum Nachdenken über Gerechtigkeit, Frieden, Bewahrung der Schöpfung und Solidarität mit den Armen der Welt anregen. Die Kunstwerke thematisieren oft soziale, ökologische oder spirituelle Fragen und fordern zur Reflexion über die eigene Lebensweise und Verantwortung in der Welt auf.
- Spirituelle Vertiefung: In der Fastenzeit, einer Zeit der Buße und Umkehr, bietet das Hungertuch eine visuelle Hilfe zur Meditation und zum Gebet. Es lädt dazu ein, über die Passion Christi und die Leiden der Menschen in der Welt nachzudenken und einen tieferen spirituellen Sinn in der Fastenpraxis zu finden.
- Förderung der Solidarität: Das Hungertuch macht auf die Arbeit von Misereor aufmerksam und regt zur Solidarität mit Menschen in Notlagen überall auf der Welt an. Es dient als Erinnerung an die Notwendigkeit, für eine gerechtere Welt zu arbeiten, in der die Würde jedes Einzelnen geachtet wird.
- Kulturelle Brücke: Durch die Einbeziehung internationaler Künstler reflektiert das Hungertuch auch die kulturelle Vielfalt der globalen Kirche und der Menschheit. Es fördert das Verständnis und die Wertschätzung unterschiedlicher kultureller Ausdrucksformen und Perspektiven.